Meinung
Q. Graf Adelmann
Wenn Sachpolitik nicht liefert und Ideologiepolitik verbraucht ist
Sittenpolizei, Kolchose und neue Einstufung deutscher Kulturpolitik
Wann endlich werden die Unternehmen Abgesandte des Senats zugewiesen bekommen, die dort ständig für Recht und Ordnung sorgen? „Die Deutschen treiben jede gute Sache so weit, bis aus ihr eine böse geworden ist“.
Jeder kennt die iranische Gascht-e Erschãd. Schwarz gekleidet sitzt diese insbesondere in Sportstadien und achtet sehr genau darauf, wer zu stark jubelt, sich unangemessen von Kleidung befreit usw. Jüngst hat die Bundesfamilienministerin eine solche für Konzerte in Deutschland gefordert – gleichwohl mit unverdächtiger Bezeichnung -: „Awareness Teams“ sollen darauf achten, dass Frauen in Schutzzonen bleiben und Männer – insbesondere männliche Künstler auf der Bühne keine sexuell unangemessen Gesten zeigen oder hedonistische Songtexte erschallen lassen. Die Staatsministerin für Kultur will generell „Patriarchales Mackertum“ verbieten. Singen darf nur noch, wer geschlechtsneutral nichtssagend Töne ausspuckt. Warum nicht ganze Genres wie Heavy Metal und Rap verbieten oder besser: jeden sozialen Mann präventiv aus der Kunst ausschließen? Bei „Rock and Roll“ (jemanden hart rannehmen und anschließend von der Person runterrollen und wegdrehen) müsste allerdings ein ganzes Kulturgut gecancelt werden. Archaisches Getue könnte wie jeder Mittelaltermarkt schlichtweg entfernt und Filmvorführungen solcher verboten werden. Alt-Videoaufführungen von Boney-M oder Edelweiss müssten aufgrund kultureller Aneignung ohnehin zensiert werden. Wie gehen wir dann allerdings mit lesbischer Devotheit um? Die österreichische Choreografin Florentina Holzinger hat kürzlich nackte Frauen in der Volksbühne auftreten und tanzen lassen. Hätte sie nicht gesagt, dass es „natürlich um Sex geht“, würden unsere Damen Ministerinnen das wahrscheinlich abtun als natürliche Darstellung von Frauenrechten. Es scheint unvorstellbar, den eigenen Körper als Special-Effekt-Maschine, Silikon und Selbstermächtigung zu betrachten sowie in Öffentlichen Theaterhäusern darzustellen. Körper als Werkzeug und schlichtes Material. Natürlich hat etwaiger (Macht-)missbrauch keine Rechtfertigung. Aber was darf Kunst noch sein? Darf sie überhaupt grenztestend sein? Soll nicht jede und jeder Mensch selbst entscheiden dürfen, wann er oder sie weghört oder geht, wenn sie nicht gefällt?
Politik hat es zugegebenermaßen nicht leicht: wer als Mann oder Frau gelten soll, ist bei neuen Geschlechtervorstellungen ohnehin nicht biologisch definierbar. Die BBC bringt Kindern bei, dass es 100 Geschlechter geben soll. Darunter Astrogender. Der Irrsinn verbreitet sich also in der gesamten westlichen Welt. Wie sollen sich da unqualifizierte Minister und Senatoren eingebettet von öffentlich-rechtlichen Erziehungsmedien selbstbewusst verhalten und entscheiden? Mindestens sollten Club-Besucher (Frauen und Männer) in Berlin Anti-Erotik-Pillen einnehmen müssen, bevor sie Zutritt erhalten. Deren Einnahme würde einige Probleme lösen und warum nicht gleich nur noch via VR-Brille oder Gehirn-Chip von KI kreierte Kultureinrichtungen besuchen? – der heute ohnehin pflichtkonforme Armlängenabstand wäre Vergangenheit.
Wenn wir schon so weit sind, könnten wir die in der DDR übliche Einstufung von Musikern wieder einführen – gleichwohl mit ausgewähltem Publikum ohne Stimmrecht, wie es ab Mitte der 80er in der DDR zugelassen wurde. Vor 1985 erfolgte die Einstufung durch eine Stasi-Gruppierung hinter verschlossenen Türen (Rat des Kreises). Drei Qualitätsstufen waren möglich und mussten alle 2 Jahre überprüft werden. In der untersten Stufe erhielt jeder Musiker monatlich 300 Mark, dann 600 Mark und in der obersten Stufe 900 Mark monatliches Salär vom Staat. Heute umgerechnet eine stattliche Vergütung. Bands konnten sich außerdem eine Konzertberechtigung erarbeiten und so eine Sonderstufe erreichen. Dann zahlte der Staat noch einmal 300 Mark on top. Öffentlich gespielt werden durfte ohne Konzertzulassung nur in staatlichen Jugendclubs. Mit dem Entzug der Pappe (Auftrittsverbot) musste allerdings immer gerechnet werden.
Von einer solchen Staatsbezahlung sind wir nicht mehr weit entfernt: mit dem Bürgergeld gibt es das Grundeinkommen und beim Berliner Senat können sich Musiker bei der Kulturraum Berlin GmbH um gratis-Proberäume bewerben, die sie selbst so teuer angemietet haben, dass private Alternativinitiativen im Wettbewerb keine Chance mehr haben. Bei der Senats-Tochtergesellschaft müssen Musiker einige Voraussetzungen erfüllen, deren Kriterientreue alle 2 Jahre überprüft wird. Unangemessene Bandnamen, Band-Mitglieder, Songinhalte usw. führen schnell zu Sanktionierung. Beflankt werden die Förderbedingungen mit staatlichen Kulturpreisen, die nur dann vergeben werden, wenn Erscheinungsbild der Band oder die gute Absicht gesellschaftspädagogische Endziele erreicht. Die Proklamierung der Gleichberechtigung in Art. 3 des Grundgesetzes verbleicht. Niemand will mehr weiß und männlich sein.
Der Wahnsinn wird in Berlin an Ort und Tätigkeit eingerahmt: sämtliche privaten touristischen Dienstleister werden derzeit in Initiative von VisitBerlin und Mitwirkung großer Vereine wie den BEN (Berlin Event Network e.V.) hin zur Zertifizierung geschubst: Auf Kosten des Steuerzahlers sind Unternehmensberater (u.a. aus Hannover) beauftragt, die Unternehmen zu gut gemeinter Nachhaltigkeit in Audits zu überprüfen. Über deren Website-Suche werden nicht-nachhaltige Unternehmen sogleich mit einfachem Click aus der Suchmaschine genommen. Hunderte Bestimmungen und Ausführungsbeschreibungen haben sich alle fröhlich ausgedacht, die sie wohl jahrelang in Steuermittelempfänger- und Ideologie-Bubbles aufgeschnappt und eingesammelt haben. Wer Ausrichter eines Events, Betreiber eines Hotels, Veranstalter eines Theaters oder Gastgeber für Besucher sein will, muss sich der Überprüfung unterziehen, ob nachhaltig gearbeitet wird. Erst dann wird entsprechend zertifiziert und darf weitergemacht werden. Darunter fällt die staatlich angeordnete Einsicht der Beraterhorden in Arbeitsverträge, Unternehmensverträge, Kommunikation mit Mitarbeitern aber auch die Überprüfung der Lieferanten, ob diese regelmäßig Firmenveranstaltungen in angemessener Form durchführen, Regionalität im Einkauf bevorzugen, ob Schwerbehinderte Zugang zu allen Bereichen erhalten und ob auch jede Fremdsprache in den Speisekarten verfügbar ist. Wer heute nicht zertifiziert ist, hat die Chance, sich jetzt den 59 Kriterien-sets zu stellen. Hierzu gehört unter anderem, sich die Auswahl seiner Bank richtig zu überlegen und sein finanzielles Engagement nur noch ökologischen und ethisch vorgestellten Kriterien zu unterwerfen. VisitBerlin als verlängerter Arm des Berliner Senats erwarten eine nachhaltige Bankverbindung (was auch immer das sein soll; können zugelassene Geldhäuser unanständig sein oder sind es nicht generell alle Banken?). Es muss nachgewiesen werden, dass die nachhaltige Bankverbindung tatsächlich ständig genutzt wird; es erfolgt eine „Sichtprüfung der Kontoauszüge“. Bepunktet wird, wenn diese Nachhaltigkeitsbank auch die Unternehmensfinanzierung stellt. Daraus folgt, dass nicht gern gesehen wird, wenn sich ein Unternehmen alternative Finanzierungsmöglichkeiten gesucht hat (aufgestellt haben muss), um überhaupt an Geld zu kommen. Das dürfte dann sogleich alle Jung- und Neuunternehmer nicht zertifizierbar machen. Die Überprüfung erfolgt durch Einsicht in die Kreditverträge. Außerdem müssen Unternehmer ihre Nachbarn zu deren Nachhaltigkeitsverhalten regelmäßig befragen und den Gesprächsinhalt protokollieren – als eine Art IM für das Land Berlin. An ein wenig Rassismus könnte der Zertifizierungskandidat denken, wenn ausschließlich „regional Ansässige“ beschäftigt werden dürfen. Geradezu absurd ist dann das Abverlangen zur Erhöhung der Recyclingquote: Es wird verlangt, existierende Gegenstände durch recycelte auszutauschen, Listen und Nachweise zu führen, die dann alle 12 Monate von den eigenen und engagierten Steuermittelressourcenvernichter überprüft wird. Gleichwohl erhöhen die realitätsfernen Prüfer die umweltzerstörende und Ressourcen-bindende Dokumentationswut: ganz neue Prüfungen, Prüfberichte und Dokumentenanfertigungsideen zu Umwelt (Energie, Emissionen, Energiemanagement, Umweltmanagement, Emissionsschutz, Abfall, Umweltausgaben), Gesellschaft (Mitarbeiterzufriedenheit, Work-Life-Balance, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Personalstrategie, Diversity, Aus- und Weiterbildung, Vorschlagswesen, Dialoge, Barrierefreiheit und Engagement), Governance, Risk & Compliance (Governance, Compliance, Datensicherheit, Transparenz, Unternehmenskultur, Risikoanalyse, Shareholder) und Wirtschaft (Qualität, Risiko, Innovation, Sicherheit, Budget-Disziplin, Vergütungspolitik, Lieferanten, Ressourcen, Mitgliedschaften, Finanzierung) sind aufgeklappt. Kurz beschrieben will folglich ein Verwaltungsreligösus allen Unternehmenden erklären, wie die Kolchose fortan zu führen ist und kontrolliert diese regelmäßig. Besonders hart für Starter und Kleinunternehmen: Sie sollten 1-2 Mitarbeitende extra beschäftigen, die diese Listen zu erstellen, nachzuhalten und abzuarbeiten in der Lage sind. Im Gegensatz dazu hält sich der Staat wie schon bei Grundsteuermeldung und Gebäudeenergieversorgung nicht an seine eigenen Regeln: das Hoffest des Bürgermeisters wird von einer Hamburger Event-Agentur ausgerichtet und selbst die Cocktails sind überregional vergeben.
Wer jetzt immer noch nicht versteht, weshalb immer weniger Menschen unterwürfige Unternehmer werden wollen, keine Unternehmensnachfolger gefunden werden (immerhin allein in Berlin pro Jahr 1.800) und warum der Staat immer mehr Mitarbeiter einstellt, der sieht sich an das Ende der 20er Jahre des vergangenen 20. Jahrhundert erinnert. Die Extrem-Rechten müssen aktuell gar nichts weiter tun, als unseren politischen Parteien noch etwas mehr Zeit zu geben, einfach so weiterzumachen. Denn die Regierungen liefern in keinem einzigen wichtigen Infrastrukturbereich für die Gesellschaft ab: Nutzungs- und Baugenehmigungen dauern noch immer Monate bis Jahre, Fachkräfte aus dem Ausland bekommen keine schnellen Arbeitserlaubnisse, digitale Prozesse in der Verwaltung sind praktisch inexistent, unsere Kinder werden weder in den KiTas, noch in den Schulen bestmöglich beschult.
Irgendwann biegt die Hälfte der Bevölkerung, die die konsequente Nichtlieferung staatlicher Aufgaben nun auch im Privaten spürt, fälschlicherweise rechts ab. Messen wir schlichtweg in den nächsten Jahren die Erfolge bei Entbürokratisierung und Wohnungsbau in Berlin, als die beiden Schwerpunkte der aktuellen Regierung.
Bei der Deutschen Bahn sieht man eindrucksvoll, was mit Leistung & Ergebnis geschieht, wenn wir alle so religiös denken, wie der Deutsche Staat: Die Bahn beschäftigt die meisten Mitarbeiter aller Zeiten und nur noch gut jeder zweite Zug (Fernzüge + Cargo) kommt pünktlich oder überhaupt an. Wahrscheinlich schauen sich diese Leute bei der Bahn in Arbeits- und Therapiegruppen an, ob eine Currywurst ethisch im Zug überhaupt noch verkauft werden darf, welche Farben im Zug Niemandem Gefühle verletzt und ob die Lieferanten der Wurst regelmäßige Dialoge mit den Mitarbeitern über Work-Life-Balance geführt haben, Nachbarn Wohlverhaltensregeln befolgen und ob das Geschäftsreiseverhalten der Lieferanten wirklich notwendig war und ob hierbei Fahrzeuge gewählt wurden, das den geringsten CO2-Ausstoß verursacht haben.
Fazit: Der Staat erstickt seine Unternehmer mit immer absurderen Vorstellungen der Unternehmenskontrolle aus privat schwer erarbeiteten Ressourcen und vergisst dabei die Erfüllung der eigenen big points, um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu retten. Es fehlt auch kein Personal im Öffentlichen Dienst, wie jüngst der neue Berliner Finanzsenator behauptet hat: es sind lediglich Verwaltungsaufgaben, Vorschriften und Gesetze ersatzlos zu streichen.
Einmal im Monat haben INTOURA-Mitglieder die Möglichkeit, Ihre Sicht auf die aktuelle Lage oder Entwicklung der Branche in Form einer Kolumne zu veröffentlichen. Die Inhalte spiegeln nicht zwingend die Interessen der Mitglieder oder die politische Arbeit des Vorstandes wieder.
Über den Autor:
Quirin Graf Adelmann v.A. ist Mitglied im INTOURA e.V.