März-Kolumne

01. März 2021

Dank Corona in die Verbotskrise

Wie wir auf Grund der Schwäche der öffentlichen Verwaltungen unserer wirtschaftlichen Existenzgrundlage beraubt werden.

Bis zur Pandemie hatte ich gelernt, dass Wirtschaftskrisen immer eine Angebots – oder Nachfragekrise sind oder auf Kriege oder Naturkatastrophen zurückgehen. Das SARS-CoV-2 Virus hat nun eine weitere Ursache hinzugefügt: eine Verbotskrise. Die Verbotskrise zeichnet sich dadurch aus, das weder auf der Angebots- noch auf der Nachfrageseite relevante Veränderungen eintreten. Im Unterschied zu den menschengemachten oder natürlichen Katastrophen ist auch keine Infrastruktur, wie zum Beispiel Produktionsstätten, zerstört worden. Wie der Name schon sagt, ist sie durch behördliche Verbote gekennzeichnet, die, wie jetzt, durch den Schutz von Menschenleben begründet werden. Natürlich ist der Schutz von Menschenleben eine nachvollziehbare Begründung, reicht aber als absolute Begründung jeglicher Art von Verboten meines Erachtens nicht aus. Die Beurteilung der Verbote sollte immer eine Abwägung zwischen dem zu erzielenden Zweck und seiner Konsequenzen beinhalten. Eine solche Abwägung findet z.Z. in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion leider überhaupt nicht statt. Bevor ich mich diesem Punkt weiter zuwende, möchte ich dem Leser zuvor die Konsequenzen der aktuellen Verbote innerhalb meiner eigenen Branche, der Jugend- und Klassenfahrten, aufzeigen.

Als Mitte März letzten Jahres sämtliche Kultusministerien Klassen- und Jugendreisen bis zum Sommer verboten, setzte eine Stornierungswelle ein, die sich, bis auf wenige Ausnahmen, auf alle Fahrten 2020 ausweitete. Immerhin versprachen die Landesregierungen in ihren Verordnungen, für entstehende Stornierungskosten aufzukommen. Allerdings hatten vielerorts die Politiker offensichtlich die Konsequenzen ihrer großzügigen Ankündigung unterschätzt. In allen Bundesländern setzte eine Antragsflut ein, die die Behörden bis heute beschäftigt. Die gute Nachricht ist: der größte Teil der Stornokosten wurde erstattet. Einige Bundesländer weigern sich allerdings, überhaupt Stornokosten zu tragen. Wehe dem, dessen Kundschaft ausschließlich oder zum größten Teil aus diesen Bundesländern kommt. Die Lehre aus 2020 für die Länder scheint zu sein: nie wieder wollen sie für Stornokosten aufkommen. Daher verbieten sie Klassenfahrten gänzlich oder schreiben ihren Schulen nun vor, nur dort Klassenfahrten zu buchen, wo sie „jederzeit kostenlos“ stornieren können. Diese Bedingung kommt einem Verbot gleich, denn kein Veranstalter, keine Gruppenunterkunft, kein Busunternehmen, selbst die Deutsche Bahn kann diese Bedingung erfüllen. Die Konsequenz ist: zumindest bis Sommer 2021 werden Stand heute keine Klassen- und Jugendfahrten stattfinden. Damit werden dann auch bei allen beteiligten Leistungsträgern keine Umsätze erzielt.

Wie viele Leistungsträger das Jahr 2021 überleben werden, werden wir im Laufe des Jahres wissen. Es ist schwer zu ertragen, dass die kommenden Insolvenzen ausschließlich auf Verbote zurückzuführen sind, denn weder haben die Leistungsträger falsch gewirtschaftet, noch ist die Nachfrage nach ihren Leistungen verschwunden. Im Gegenteil, wir hören von den Lehrern, dass sowohl die Schüler als auch die Lehrer selber gerne wieder auf Klassenfahrt gehen würden. Diese Fahrten, seien sie am Anfang, mitten drin oder am Ende einer Schullaufbahn, sind aus pädagogischer und sozialer Sicht besonders wertvoll. Welche Bedeutung diese Fahrten für Kinder und Jugendliche insbesondere nach monatelangem Lockdown haben könnten, kann sich jeder vorstellen, der eigene Kinder zuhause hat. Übertragen lassen sich diese Konsequenzen natürlich auch auf alle anderen Bereiche der Wirtschaft, die ebenfalls durch Verbote ihrer Existenzgrundlage beraubt sind: touristische Attraktionen, Gastronomie, Hotel, Einzelhandel, Messe- und Veranstaltungsbranche etc., eine vollständige Liste wäre verstörend lang.

Kommen wir nun auf die Ursache der Verbote zurück. Das Ziel aller Verbote ist die Rettung von Leben. Erreicht werden soll dieses Ziel durch eine möglichst geringe Verbreitung des SARS-CoV-2 Virus. Diese Verbreitung soll insbesondere durch Kontaktbeschränkungen und Hygieneregeln gestoppt werden. Soweit so gut. Allerdings wird bei den Verboten völlig außer Acht gelassen, dass das Virus nicht für alle Altersgruppen gleich gefährlich ist. Wäre es für alle gleich gefährlich, wären die bestehenden Verbote sinnvoll. Nach bisherigen Zahlen des RKI waren jedoch rund 85 % aller Verstorbenen älter als 70 Jahre alt. Darüber hinaus litt die Mehrheit an einer oder mehr Vorerkrankungen und rund die Hälfte waren Bewohner von Altenheimen. Damit stellt sich die Frage, warum wir nicht zielgerichtet die Menschen schützen, für die das Virus tödlicher ist als für andere, ohne dabei ganze Branchen an den staatlichen Finanztropf zu hängen? Die schlichte Antwort ist: die öffentliche Verwaltung ist dazu nicht in der Lage.

Einige wenige Beispiele zeigen das strukturelle Problem öffentlicher Verwaltungen auf.

Beispiel 1: Die Gesundheitsämter

Die Kontaktnachverfolgung obliegt den Gesundheitsämtern. Wie wir den Medien entnehmen können, arbeiten im 21. Jahrhundert noch immer einige von ihnen ausschließlich per Fax. Anstatt die Kontaktnachverfolgung zu digitalisieren, wird diese Aufgabe Bundeswehrsoldaten übertragen. Das dadurch die Kontaktnachverfolgung bei vielen Ämtern bereits bei 0,05 % Infizierten auf 100.000 Einwohner zusammenbricht, ist die tragische Konsequenz.

Beispiel 2: Die Bildungsverwaltung

Ein weiteres trauriges Beispiel ist die Berliner Bildungsverwaltung. 12 Monate nach Ausbruch der Pandemie gelingt es dieser nicht, in jeden Berliner Klassenraum einen Luftfilter bereitzustellen. In den beiden Schulen meiner Töchter steht nicht ein einziger dieser Luftfilter. Das Bereitstellen solcher Filter ist kein finanzielles Problem, Geld ist mehr als genug da, sondern die Inkompetenz der Verwaltung.

Stellen wir also fest, dass der Politik in der Pandemiebekämpfung scheinbar nix anderes übrig bleibt, als weite Teile der Wirtschaft einem Berufsverbot zu unterwerfen. Eine zielgerichtete Bekämpfung lassen die öffentlichen Verwaltungen nicht zu. Jetzt rächen sich die seit Jahren verkündeten, aber leeren Worthülsen unserer Politiker nach Modernisierung und Digitalisierung unserer Verwaltung und auch der Schulen. Dabei erarbeitet die Privatwirtschaft längst Alternativen. In meiner Branche haben sich die Leistungsträger bereits schon im letzten Jahr darauf geeinigt, dass Pandemiebedingt bis 72 Stunden vor Anreise, bei manchen sogar bis zum Anreisetag, kostenlos storniert werden kann. Damit wäre der momentan einzige Grund, warum eine Klassenfahrt abgesagt werden muss, abgedeckt. Den Kultusministerien wäre ihrer Angst vor erneuten Stornokosten genommen, den Lehrern und Schülern eine Perspektive für ihre Klassenfahrt gegeben, uns Leistungsträgern wieder gestattet, unseren Job zu machen. Die erarbeiteten Hygienekonzepte der Leistungsträger vor Ort ermöglichen eine sichere Klassenfahrt.

Wichtig zu wissen ist, dass bei Gruppenreisen ein gewisser zeitlicher Vorlauf von Nöten ist. Es ist deutlich einfacher, 100 Reisen kurzfristig abzusagen als 100 Reise kurzfristig zu planen und umzusetzen. Vor diesem Hintergrund sollten Klassenfahrten uneingeschränkt erlaubt sein. Denn wenn diese Fahrten erst dann wieder erlaubt sind, wenn ein bestimmter Prozentsatz der Bevölkerung geimpft ist, dann wird es für viele Klassen und insbesondere Leistungsträger zu spät sein. Andersherum können alle Fahrten zügig abgesagt werden, sollten die Impfungen bis Sommer nicht so weit vorangeschritten sein, wie geplant.

Fazit

Das SARS-CoV-2 Virus stellt die gesamte Welt vor größte Herausforderungen. Die Antworten auf diese Herausforderung prägen unseren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Alltag. Dabei kristallisiert sich heraus, dass die Privatwirtschaft mit ihren marktwirtschaftlichen Prinzipien gut aufgestellt ist. Dank dieser haben wir 12 Monate nach Ausbruch der Pandemie weltweit mehrere zugelassen Impfstoffe zur Verfügung, sämtliche Engpässe bei Masken, Kitteln und Beatmungsgeräten sind abgebaut. Als große Schwachstellen entpuppen sich die öffentlichen Verwaltungen. Da diese mit den an sie gerichteten Aufgaben nicht hinterherkommen, bleibt der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten scheinbar nur der Lockdown mit all seinen wirtschaftlichen und sozialen Folgekosten.

Das staatliches Geld die verbotsbedingten, entgangenen Umsätze nicht monatelang ersetzen kann, dämmert ja bereits auch den verantwortlichen Politikern. Eine kurzfristige Digitalisierung und Ertüchtigung der öffentlichen Verwaltung ist unrealistisch. Daher wäre es jetzt an der Zeit, mit den Verantwortlichen der jeweiligen Branche zu sprechen und auf die Flexibilität der Privatwirtschaft, sich an neue Umstände anzupassen, zu vertrauen. Vielleicht sollte an dieser Stelle klargestellt werden: auch die Akteure der Privatwirtschaft setzen das Leben ihrer Kunden nicht aufs Spiel. Wir hatten und werden immer das Wohlergehen unsere Kunden im Auge haben. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die aber offensichtlich nicht auf allen Ebenen des Staates geteilt wird.

Zukünftig sollten wir es uns nicht mehr leisten müssen, aufgrund inkompetenter Verwaltungen unsere Wirtschaft in eine Verbotskrise zu stürzen. Darüber hinaus können wir als Unternehmen von unseren Politikern mehr Vertrauen in unsere Anpasssungsfähigkeit auch zu Zeiten einer Pandemie einfordern.

Über den Autor:

Daniel Wiegand ist Geschäftsführer von Hauptstadtreisen und Vorstandsmitglied im INTOURA e.V.