Juli-Kolumne 2024

Meinung
Andreas Behrens

Zur aktuellen Lage der Fahrgastschifffahrt in Berlin


 

Die UEFA EURO 2024 liegt nun schon wieder hinter uns. Visit Berlin bejubelt positive Tourismuseffekte, der Einzelhandelsverband verzeichnet Umsatzzuwächse durch die Fußballfans, DEHOGA zieht gemischte Bilanz für die Europameisterschaft.

Die touristischen Attraktionen hatten bereits im Vorfeld aus den Erfahrungen der Fußballweltmeisterschaft 2006 für die Zeit der Europameisterschaft einen eher negativen Einfluss auf die Besucherzahlen befürchtet.  Leider hat sich diese Erwartung bestätigt, im Vergleich lagen die Besucherzahlen im Juni 2024 in vielen Attraktionen durchschnittlich 10 % unter denen des Vorjahres.

Die „normalen“ Touristen, die sich eher länger in Berlin aufhalten würden, wurden durch die Fußballfans, die nur punktuell zu den Spielen angereist sind, verdrängt.

Dass die Entwicklung im Juli durch kurzfristige Nachholeffekte aufgefangen werden kann, ist durchaus möglich muss aber nicht sein.

Gleichwohl erwarte ich trotzdem mittel- und langfristig positive Effekte für den Berlin-Tourismus und damit auch für die Attraktionen der Stadt. Quasi ein Wiederauffrischungseffekt des Sommermärchens 2006.

Auch für die Fahrgastschifffahrt in Berlin gilt das oben geschriebene. Dazu kam das im Vergleich zu den Vorjahren eher durchwachsene Wetter. Also alles auf einmal könnte man sagen. Wenn es das bloß gewesen wäre. Wir erlebten dieses Jahr bereits mehrere Sperrungen der innerstädtischen Spree vorzugsweise an Samstagen mit extrem hohem Besucherandrang in der Stadt.  (z.B. DFB-Pokalwochenende, Feierlichkeiten zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes).

Die Ankündigungen dieser Sperrungen kamen teilweise sehr spät. Die Schiffe waren für diese Tage bereits sehr gut vorgebucht. Zu den Umsatzausfällen kam dann noch der Aufwand für die Rückabwicklung der Buchungen und der verständliche Ärger unserer Gäste.

Damit komme ich zum Thema verlässliche Rahmenbedingungen für die Fahrgastschifffahrt gerade im umsatzstarken touristischen Bereich der Berliner City.

Dort stehen mehrere große Bau- und Sanierungsmaßnahmen des Landes (Sanierung des BVG-Waisen-Tunnels unter der Spree) und des Bundes (Neubau Wehr an der Mühlendammschleuse, Ersatzneubau der Mühlendammbrücke, Neubau Brücke am Bundeskanzleramt) an. Dadurch sind, beginnend in diesem Jahr, mehrere Anlegestege des Reederverbandes, der Reederei Riedel und der Stern und Kreisschiffahrt nicht mehr  oder nur eingeschränkt nutzbar, Ausweichmöglichkeiten: keine. Die Bauzeit: mehrere bis viele Jahre.  Folge: Ausfall vieler Touren für alle betroffenen Reedereien und entsprechende Umsatzausfälle, die nicht oder nur marginal entschädigt werden.

Ja, die Baumaßnahmen sind notwendig (abgesehen vom Kanzlersteg ?) und das teilweise schon seit Jahren, sie wurden verschleppt und ballen sich jetzt aufeinander.  Die betroffenen Reedereien werden schulterzuckend mit dem Argument „alternativlos“ abgespeist.

Mehr Miteinander im Umgang mit einer nicht ganz unbedeutenden Teilmenge der Berliner Tourismuswirtschaft wäre an dieser Stelle wünschenswert.

Insbesondere dann, wenn die Landespolitik zeitgleich erwartet, dass die Branche ihre Flotte möglichst schnell auf emissionsfreie Antriebe umstellt und dafür entsprechende Investitionen tätigt.

Insbesondere auch dann noch, wenn der Bund vertreten durch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung den investierenden Reedereien zeitgleich die Nutzungsverträge für die Anleger in der Berliner Innenstadt kündigt, an denen das Geld für diese Investitionen verdient werden muss.

Es bleibt also spannend. Auch ohne Fußball. Und es bleibt auch schön mit einer einzigartigen Perspektive vom Wasser aus auf unsere Stadt.

Über den Autor: 

Andreas Behrens

Andreas Behrens ist Mitglied im INTOURA e.V.