Meinung
Q. Graf Adelmann
Wie Berlin – Marketing ins Leere arbeitet
Bundespolitik und Bundesverwaltung gegen Hauptstadt-Tourismus
Nein, es geht nicht um die Frage, ob das Bürgergeld gerade die Mitarbeitenden in touristischen Attraktionen und Gastronomien vernichtet oder ob die 19% Umsatzsteuer-Erhöhung 2024 zur Halbierung aller Restaurants in Berlin führen wird? Die Bundesrepublik bekennt sich noch immer nicht zu ihrer Hauptstadt!
Waren Sie schon einmal in einer ganz simplen Sportsbar in Bangkok? Nein? Das sollte jeder und jede tun, der/die irgendwie mit Tourismus zu tun hat und das Denken der Welt von Seiten der Touristen erfahren will, die nicht nach Deutschland reisen: wieso kommen bestimmte Gruppen nicht nach Berlin oder Deutschland? Es geht nicht allein um die Frage, welche Reisenden unserer Qualitätsanforderung genügen, sondern darum, wer warum nicht nach Berlin findet. Unseren Stadtvermarktern fehlt es nicht an Ideen oder Engagement. Nehmen wir VisitBerlin: in der vergangenen KW 47 reiste eine Delegation mitsamt deren Spitze fleißig nach Frankfurt a.M., um dort sehr laut bei Fluglinienchefs für die künftige direkte Ansteuerung Berlins zu werben. Nach wie vor ist Berlin schließlich ein Provinzflughafen. Wir müssen noch immer über andere Hauptstädte wie Amsterdam, Paris, London oder Helsinki aber eben auch über Landeshauptstädte wie München, Hamburg oder Hannover an- und abreisen, um in die Welt zu gelangen. Es ist geradezu absurd, aus Asien kommend über den Berliner Himmel vorbei nach Amsterdam oder Helsinki fliegen zu müssen, um dann von dort wieder zum eigentlichen Ziel Berlin zurückzugelangen.
Nun, die Werbetrommel für Berlin als Direktflughafen, damit die „Qualitätstouristen“ in diese wunderbare Stadt gelangen, läuft weiterhin ins Leere. Der Leerlauf erfolgt nicht etwa wegen des Streitpunkts, ob die Zielgruppendefinition Berlins nur für „Qualitätstourismus“ ideologisierte Hochtraberei ohne Nachhaltigkeitsblick ist und Menschen ausschließt (immerhin werden auch junge Menschen zu Erwachsenen und Einkommensschwache vielleicht einkommensstark und sich eher an Berlin, als an Amsterdam erinnern). Chefs von Fluggesellschaften sind daran interessiert, möglichst viele Menschen zu transportieren – nachhaltig, unabhängig von Ideologie und flexibel je nach geopolitischer Realität. Die Sicht des Kunden (der Airline-Verantwortlichen) ist, viele Menschen von überall nach Berlin transportieren zu können. Offenbar will der Bund hier Berlin noch immer hinter Städte wie Frankfurt anstellen. Obwohl auch 2022 mit knapp 10 Millionen Menschen mehr als doppelt so viele Menschen in Berlin, als in Frankfurt landen wollten, wird Berlin widernatürlich klein gehalten. Sowohl der Kundenwunsch als auch Umweltschutz müssten doch bedeuten, Berlin sofort als Direktflughafen zu etablieren und keine Schleifen oder Überflüge aufwenden zu lassen, um andere Flughäfen zwangsweise anzusteuern, die die Mehrheit der Touristen gar nicht ansteuern will. Was macht hier der Bundesverkehrsminister? Und was macht eigentlich die Bundesaußenministerin?
Umständliches Fliegen ist nämlich nicht der einzige Grund für Besucherverhinderung eines Qualitätstouristen: Hören wir uns in exemplarischer Sportsbar in Bangkok um:
Die Bars sind auch im November voll von Indern, Saudis, Iranern, Philippinern, heimischen Thailändern und Chinesen (ohne China und Indien 320 Mio. Menschen). Kommt der Berliner Tourist hier beispielsweise mit Saudis oder Iranern ins Gespräch und fragt sie, warum sie ihr Geld (1.800€/Urlaub) nicht auch in Deutschland ausgeben wollen? Erstaunlicherweise sind die Ü40-jährigen hier keine Sex-Touristen wie medial suggeriert, sondern berichten von ihren Tages-Ausflügen hin zu thailändischen Wats, Floating Markets, Asiathique Festivals und Tempelanlagen. Das iranische heterosexuelle Pärchen spielt derweil gegen ein homosexuelles Pärchen aus Saudi Arabien pool-billard. Auf die Frage, weshalb sie Deutschland nicht besuchen werden, wird gekontert: Es gäbe niemanden mehr, den sie aus Asien kennen, der noch nach Deutschland reisen will. Geld und Lust hätten sie zur Genüge. Der Aufwand sei aber viel zu hoch. Als Asylbewerber bekomme man Zugang, als Tourist schon lange nicht mehr. Ein genauer Blick lohnt hier dann doch:
All diese einkommensstarken Gruppen aus Asien benötigen ein Visum für Deutschland. Um ein solches zu erhalten, müssen die Tourismusanwärter eine Einladung eines Einheimischen aus Deutschland vorlegen. Da fallen bereits alle raus, die nur das Land besuchen wollen und niemanden kennen. Außerdem benötigen Touristen einen Nachweis über hinreichend Einkommen und Vermögen, dass sie monatelang in Deutschland ohne Staatshilfe leben könnten. Der Besucher zieht sich also nackt aus, legt einen Kontoauszug vor und sein Anstellungsverhältnis offen. Der Deutschland-Bewerber braucht zusätzlich eine teure und umfangreiche Reiseversicherung und natürlich ein Flugticket mit Rückflug. Außerdem werden zahlreiche weitere Unterlagen und Erklärungen abverlangt. Dann zum Prozess: im nächsten Schritt nach Unterlagensammlung braucht es einen mehrwöchigen Vorlauf, um über die Visa-Stelle im Ausreiseland bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland einen Termin zu bekommen. Wenn dieser Termin stattgefunden hat und die Unterlagen eingereicht sind, braucht es weitere Wochen Geduld, bis die Deutsche Botschaft schreibt, ob ein Tourismus-Visum erteilt ist oder nicht. Ein Ablehnungsbescheid wird übrigens nicht erklärt. Eine Remonstration – also Widerspruch – gegen eine Ablehnung sei zwecklos wird gleich mitgeteilt. Stillstand Rechtssystem sozusagen: es gäbe eine monatelange Bearbeitungszeit. Da sei die Neuantragstellung einfacher, gleichwohl niemand weiß, was fehlerhaft beantragt wurde. Denn in der Botschaft ist niemand telefonisch erreichbar, man bekommt keinerlei Auskunft über den schriftlichen Weg – wohlgemerkt als Deutscher Staatsbürger ebenso nicht. Transparente Entscheidungsbegründung gibt es in der Deutschen Insel Botschaft nicht mehr. Der moralische Weltleuchtturm Deutschland ist sozusagen zu faul für die eigene Rechtsstaatlichkeit. Stellt man sich dann als Einladender unterstützend vor die Deutsche Botschaft in Bangkok, weil eine Terminbuchung hier ewig lange dauert, muss der Staatsbürger mit deutschem Pass seinen Zugang erzwingen, um ins eigene (Botschafts-)land zu gelangen. Als Deutscher Staatsbürger wird die Einreise ins eigene Land verweigert! Mit Druck und Drohung gelingt der Zugang dann doch. In der Botschaft muss jeder Besucher alsdann zunächst wie ein Staatsgefangener oder Kriminellenbesucher das iPhone, apple-watch und auch sonst alles Elektronische abgeben. Dann heißt es stundenlanges warten. Weitere Deutsche warten unterwürfig in der Botschaft auf Terminsgnade für unterschiedliche Genehmigungsprozesse. Beispielsweise ein Trainer, der für seine 15 Ski-Sportlerinnen um Einreiseerlaubnis betteln muss. Natürlich mit Aktenbergen an Unterlagen, weil so etwas wie Digitalisierung in der Deutschen Botschaft ebenfalls nicht angekommen ist. Dennoch trägt der Antragsteller die Last hoher Gebühren für die Erfüllung dieser staatlichen Auslandsaufgabe. Nun, sollte eine Einladung in Berlin vom Einladenden auf rotem Formular mit Beglaubigung der Unterschrift und 5-Jahres-Lebensunterhaltsgarantie erforderlich sein – und es wird verlangt – bekommt der Berliner in Berlin schlichtweg keinen Termin. Es heißt seit Monaten: „Für die gewählte Dienstleistung sind aktuell keine Termine frei! Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt erneut“ (https://otv.verwalt-berlin.de/ams/TerminBuchen). Jeder Asylsuchende hat es einfacher, als diejenigen, die unsere Beherbergungseinrichtungen bezahlen und wieder gehen.
Nun ja; jeder Unternehmer weiß, dass es auf den Kunden ankommt, um zu überleben. Der Qualitätstourist aus Asien jedenfalls – das ist einhellige Aussage aller Asiaten in der Sportbar – fliegt halt woanders hin als nach Deutschland. Es gibt viele schöne Orte auf der Welt. So können die o.a. Gruppen ohne Visum in die Türkei oder auch nach Taiwan. Deutschland macht das Einreisen für Touristen (und für Fachkräfte) zur deutschen Horrorshow.
Berlin hat es deshalb doppelt schwer gegen den Bund. Umweltverschmutzende Umwegzwangsflüge, um nach Berlin zu gelangen und ganze Weltregionen werden durch Bundesverwaltungen abgeblockt. Da muss der Berlin-Besucher schon zäh sein, will er dennoch nach Berlin und Visit-Berlin ebenso, sollen die beiden zuständigen Minister irgendwann doch überzeugt werden, etwas zu Gunsten Berlins umzusetzen. Ampelversagen in jeder Couleur.
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Über den Autor:
Quirin Graf Adelmann v.A. ist Mitglied im INTOURA e.V.