November-Kolumne

4. November 2017

Der Einfluss von Buchungsportalen

Der Berliner Touristikunternehmer Hans Jörg-Schulze beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit dem Thema Buchungsportalen und deren Auswirkungen auf die Selbstbestimmtheit des eigenen Vertriebs. Seine Meinung und die dazugehörige Vision teilt er nachfolgend.

Mich beschäftigt im Rahmen meiner unternehmerischen und meiner ehrenamtlichen Tätigkeiten ein Branchenthema, das in der Touristik nach wie vor ein Aufreger ist:
nämlich die Online-Travel-Agencies bzw. die Buchungsplattformen/-portale.

Die Hotellerie hat in den letzten 10 Jahren leidvoll erfahren müssen, wie problematisch Abhängigkeiten, Bestpreisklauseln, Provisionsknebelverträge etc. sein können bzw. noch heute sind. Stellvertretend seien hier nur Namen wie Booking, Kayak, HRS, Trivago, Flixbus, Opodo, Swoodoo, Fluege.de, Momondo, Yelp und nicht zuletzt die inzwischen auch interessierten großen Handelsplattformen wie Amazon und die Bewertungsplattformen TripAdvisor oder Holidaycheck genannt (Hier geht es zu einem Artikel der das Problem erläutert).

Alle diese Vertriebskanäle und die von ihnen angebotenen Services sind für den Verkauf unserer Produkte unzweifelhaft wichtig, aber wir Attraktionen dürfen nicht die Fehler, die die Hotellerie in diesem Bereich gemacht hat, wiederholen, sondern müssen daraus lernen. Wir müssen es vermeiden, uns in Abhängigkeiten zu begeben, die uns am Ende „das Leben kosten“ können. Plattformbetreiber und Portale dürfen nicht unsere Vertriebshoheit in Frage stellen bzw. schleichend übernehmen.

Das ist in großen Teilen der Hotellerie geschehen und es brauchte Jahre, viele juristische Auseinandersetzungen und viel Kapital diese Hoheit wieder zurückzuerlangen. Wir sind diejenigen, die den Endkunden bedienen und wir müssen auch diejenigen sein, die wissen, welche Wünsche und Bedürfnisse unsere Kunden haben, die es von uns zu erfüllen gilt oder die gar von uns als neue Produkte und Dienstleistungen erst Bedürfnisse beim Kunden wecken. Deshalb dürfen wir uns nicht vorgaukeln lassen, dass die Portale und Plattformen die „eierlegende Wollmilchsau“ sind, die nur unser Bestes wollen. Nein, die wollen uns ausquetschen und möglichst 30 % Provision oder mehr von unserer ohnehin kleinen Marge für ihre softwaregesteuerte Dienstleistung erhalten.

Wir, die wir die teuren Produktionsmittel (Busse, Schiffe, Museen, Ausflugs- und Freizeitangebote etc.) vorhalten und finanzieren sollen bis zu 30% unseres Umsatzvolumens als Provision zahlen?
Das ist Irrsinn und aus meiner Sicht selbstzerstörerisch. Natürlich werden uns immer wieder gute Argumente präsentiert, warum wir solche Ansprüche dennoch befriedigen sollen, aber das ist alles vorgeschoben, denn es geht den Eigentümern dieser Portale auch nur um Profitmaximierung und das Ziel der Marktbeherrschung, die dann die mit einem Einkaufspreis- bzw. Provisionsdiktat enden soll. Warum sollen wir die Erschließung neuer Märkte für ein Portal mitfinanzieren? Das sollen die doch bitte aus ihren bestehenden oder zu erwartenden Margen finanzieren und nicht mit höheren Provisionen unsererseits, denn wenn sie den Markt erschließen, dann steigen die Gesamtverkaufszahlen und sie erzielen damit in Summe höhere Provisionserlöse.

Warum also sollen wir Markterschließungsprovisionen oder Werbekostenzuschüsse zahlen?

Da bleibt nur ein Schluss:

Die Profite der Portale sollen weiter steigen und wir in immer größere Abhängigkeiten geraten. Nach meinem Verständnis wird hier das partnerschaftliche Miteinander (leben und leben lassen) ad absurdum geführt und deshalb opponiere ich gegen diese Praktiken und warne davor schon dagewesene Fehler zu wiederholen.

Fazit und Vision:

Wir brauchen auch in der Portal- und Plattformlandschaft viele Anbieter und harten Wettbewerb, um marktbeherrschende Oligopole oder gar ein Monopol zu verhindern. Ferner macht es für uns Attraktionen und auch weitere Branchenkollegen sehr viel Sinn eine eigene Buchungs- bzw. Verwaltungssystemplattform, die schnittstellenoffen für alle Anbieter und gewerblichen Nutzer ist, zu unterhalten bzw. programmieren zu lassen. Unser System sitzt dann wie ein Wächter zwischen uns, den Portalen, den Reiseveranstaltern, den Reisemittlern und dem Endkunden und sortiert die Buchungen in die entsprechende Vertriebsschiene (Endkunde oder Vermittler) direkt in unsere eigenen Buchungssysteme mit einem entsprechenden Rückkanal, der die notwendigen Daten den Endkunden oder den Vermittlern in Form von Barcodes oder QR-Codes, die von unserem jeweiligen System dann gelesen werden können, zur Verfügung stellt. Damit wäre eine durchgehende Verarbeitungskette digitaler Daten gegeben und die Leistungsträger/Attraktionen sind Herrscher über Ihren Vertrieb.

Nach meiner Auffassung muss ein solches System wie eine Genossenschaft angelegt sein, denn dann halten viele Beteiligte Anteile und es werden auch die kleinsten Anbieter über Anteile am großen Ganzen beteiligt und profitieren davon.

Das gewährleistet bei entsprechender Gestaltung auch, dass das System „neutral“ bleibt. Wenn man nun rechnet, dass mittels eines solchen Systems die Provisionszahlungen an Mittler deutlich geringer ausfallen würden, dann ließe sich aus dem ersparten Provisionsaufwand die Fortentwicklung einer Buchungsverwaltungsplattform sicher finanzieren und unser eigenes System bleibt immer auf dem Laufenden. Beginnen muss man so etwas sicher lokal bzw. regional aber durch die genossenschaftliche Struktur kann so ein System auch global zum Erfolg werden, denn es gehört den Leistungsträgern/Attraktionen.


Weitere Artikel zu diesem Thema:

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Über den Autor:

Hans Jörg-Schulze ist Geschäftsführer der BBS Berliner Bären Stadtrundfahrt GmbH, langjähriges Mitglied im INTOURA e.V. sowie Vorsitzender des Tourismusausschusses der Industrie und Handelskammer Berlin.